KREBS-FRÜHERKENNUNG: TEST ERKENNT EIERSTOCK- UND BRUSTKREBS IM GEBÄRMUTTERHALSABSTRICH
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Die Arbeitsgruppe um Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck, konnte mit den neu entwickelten WID-Tests die epigenetischen Fußabdrücke für Eierstock- und Brustkrebsanhand eines einfachen Gebärmutterhalsabstrichs bestimmen, also ohne invasive Gewebeprobe aus dem Tumor. Die Wissenschaftler*innen veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin Nature Communications.Die Höhe des individuellen Risikos, an Krebs zu erkranken, hängt teilweise von genetischen Faktoren ab. Aber auch nicht-genetische Faktoren haben großen Einfluss auf das Krebsrisiko. Der Onkologe Martin Widschwendter ist Leiter des vom Land Tirol gegründeten und in Kooperation mit der Universität Innsbruck und den Tirol Kliniken umgesetzten Instituts für Prävention und Screening (www.eutops.at). Er arbeitet an der Umsetzung neuer Methoden zur Krebsprävention und -früherkennung unter Berücksichtigung sogenannter epigenetischer Fußabdrücke. Die ersten beiden Ergebnisse einer Reihe von Arbeiten, die heute in Nature Communications veröffentlicht wurden, belegen die Fähigkeit der neu entwickelten WID-Tests, sowohl Eierstock- als auch Brustkrebs vorherzusagen. Individuelles Krebsrisiko und das EpigenomDas Epigenom spielt eine ganz entscheidende Rolle für die Funktion der Zellen, indem es durch Markierungen am menschlichen Erbgut die Identität und Aktivität einer Zelle bestimmt. „Jede Zelle eines Menschen beinhaltet die exakt gleichen Informationen in Bezug auf die DNA, die wir als genetische Hardware bezeichnen können. Welche Programme aber in der Zelle abgerufen werden, wird durch das Epigenom bestimmt  sozusagen die Software unserer Zellen“, erläutert Widschwendter.Die Wissenschaftler*innen analysieren einen wichtigen Teil des Epigenoms, die DNA-Methylierung. Die DNA-Methylierung wird dabei sowohl von genetischen als auch von nicht-genetischen Faktoren modifiziert. „Externe Faktoren, wie zum Beispiel Rauchen, die Ernährungsweise oder Hormone, aber auch Faktoren, denen wir als Embryo im Mutterleib ausgesetzt sind, oder auch die Alterung führen zu Veränderungen der DNA-Methylierung. Dabei handelt es sich um Markierungen an der DNA, die die Expression bestimmter Gene der Zelle erhöhen oder verringern und somit auch das Krebsrisiko beeinflussen. Und genau das macht sie so interessant für uns. Denn all diese Faktoren, die im Laufe des Lebens auf die Zellen einwirken, hinterlassen epigenetische Fußabdrücke auf der DNA, die unsere neuen WID-Tests sichtbar machen“, erklärt Martin Widschwendter.Wichtiger Teilerfolg„Wir wissen, dass Eierstockkrebs und Brustkrebs sowie andere frauenspezifische Krebsarten, die wir untersuchen, Erkrankungen von Epithelzellen sind, also von Zellen, die unsere Organe auskleiden. Darüber hinaus spielen Hormone bei der Entwicklung dieser Krebserkrankungen eine große Rolle. Daher brauchen wir für unsere Krebsrisikobestimmung Epithelzellen, die gleichzeitig hormonabhängig sind. Beide Eigenschaften erfüllen Zellen des Gebärmutterhalses, die darüber hinaus den großen Vorteil haben, dass sie sehr einfach und nicht-invasiv durch einen gewöhnlichen Gebärmutterhalsabstrich gewonnen werden können  wie schon bisher bei routinemäßigen gynäkologischen Untersuchungen“, beschreibt Widschwendter.Die WID-Tests untersuchen den epigenetischen Fußabdruck für jede Krebsart einzeln und berechnen einen individuellen WID-Index („Women’s cancer risk IDentification“) der das Risiko für die verschiedenen Krebserkrankungen angibt. Für Eierstock- und Brustkrebs wurden wesentliche Erfolg erzielt, die in nun in Nature Communications publiziert wurden:Das Team führte eine epigenomweite Analyse bei 289 Frauen mit Eierstockkrebs, 727 Frauen mit Brustkrebs und 1410 Frauen ohne Krebsdiagnose aus 15 europäischen Zentren durch. Die WID-Tests zur Analyse der epigenetischen Fußabdrücke für Brust- und Eierstock-Krebs konnten die an Krebs erkrankten Frauen durch die Analyse einer einzigen Probe aus dem Gebärmutterhalsabstrich mit hoher Wahrscheinlichkeit identifizieren. Frauen mit dem höchsten Risiko-Score im Vergleich zu Frauen mit den niedrigsten Risiko-Score hatten ein 26,3-fach und 15,7-fach erhöhtes Risiko mit Eierstock- bzw. Brustkrebs diagnostiziert zu werden. Künftige Forschungsarbeiten werden erforderlich sein, um diese Ergebnisse in groß angelegten Studien zu bestätigen. Weitere Ergebnisse über die Fähigkeit des WID-Tests für die Früherkennung von Gebärmutter- und Gebärmutterhalskrebs sollen demnächst veröffentlicht werden. „Unsere WID-Tests verfolgen einen völlig neuartigen Ansatz und bewerten das individuelle Risiko für mehr als eine Krebsart, indem sie verschiedene epigenetische Fußabdrücke in einem einzigen Gebärmutterhalsabstrich untersuchen. Die WID-Tests suchen nach epigenetischen Fußabdrücken auf der DNA einer Frau, die sich im Laufe ihres Lebens angesammelt haben und untersuchen, ob die Frau auf Krebs zusteuert, d.h. ein hohes Risiko dafür hat. Die WID-Tests werden Krebsprävention und Früherkennung personalisieren und es erstmals ermöglichen, Frauen basierend auf ihrem individuellen, veränderlichen Krebsrisiko zu untersuchen und zu behandeln. Darüber hinaus erlauben die WID-Tests, den Erfolg der präventiven Maßnahmen zu kontrollieren. Wir freuen uns, die Krebsrisiko- und früherkennung durch bessere molekulare Tests radikal weiterzuentwickeln, um Frauen die Möglichkeit zu geben, in einem frühen Stadium Präventionsmaßnahmen zu ergreifen und dem Krebs zu entgehen“, erklärt Martin Widschwendter. Statements:Mag.Annette Leja, Tiroler Landesrätin für Gesundheit, Wissenschaft und Forschung: „Um die individuelle Früherkennung und Prävention von Krebserkrankungen in Tirol weiterhin bestmöglich auszubauen, fördert das Land Tirol das an die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und Tirol Kliniken angegliederte Europäische Onkologie Präventions & Screening Institut EUTOPS mit den Standorten Hall und Zams. Ich gratuliere Institutsleiter Prof. Martin Widschwendter, dem mit seinem Arbeitsteam von Tirol aus ein international beachteter Durchbruch in der Frauenmedizin gelungen ist: Die publizierten Daten, die jetzt in weiteren Studien validiert werden, zeigen, dass ein einziger Abstrich vom Gebärmutterhals ausreicht, um eine Gefährdung der Patientin sowohl durch Eierstock- als auch Brustkrebs vorherzusagen. Eine hervorragende Leistung. Meine herzlichste Gratulation.“ao.Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG): „Bei vielen Krebserkrankungen spielen neben den Lebens- und Umweltbedingungen und dem Lebensstil die Gene eine maßgebliche Rolle. Der epigenetische Fußabdruck hilft dabei, das individuelle Risiko einschätzen zu können. Die aktuellen Forschungsarbeiten zeigen vielversprechende neue Erkenntnisse, die in Zukunft dazu beitragen können, durch eine engmaschige Früherkennung und gezielte Behandlung Todesfälle zu verhindern. Qualitätsgesicherte Früherkennungsprogramme sind nach wie vor die wichtigsten Optionen für die Bewältigung nichtübertragbarer Krankheiten. Dabei ist eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken von großer Bedeutung.“

Die Forschungsarbeiten wurden vom europäischen Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020 und dem European Research Council gefördert und maßgeblich von der Britischen Wohltätigkeitsorganisation The Eve Appeal unterstützt.Ein Video zur Veranschaulichung der Forschungsarbeit finden Sie hier (online ab 1. Februar, 17 Uhr): https://eutops.at/news/featured/publikation-wid-testsZur PersonMartin Widschwendter, geboren 1968 in Innsbruck, arbeitete nach seiner Ausbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Uni Innsbruck ab 2001 am Norris Comprehensive Cancer Center in Los Angeles (USA). Im Anschluss hat er das erste in Österreich zertifizierte Brustgesundheitszentrum mitbegründet und geleitet. 2005 wechselte er an das University College in London (UCL). Dort absolvierte er eine Ausbildung als Spezialist in gynäkologischer Onkologie und baute eine große Forschungsgruppe auf, die sich mit der Rolle der Früherkennung, Risikoprädiktion und Prävention von Brust- und gynäkologischen Krebserkrankungen befasst. Zudem leitete er dort über zehn Jahre das Department für frauenspezifische Tumorerkrankungen. 2017 erhielt er als erster österreichischer Arzt einen „ERC Advanced Grant“, die höchste Auszeichnung des European Research Council. Seit 2020 leitet Martin Widschwendter das vom Land Tirol gegründete Institut für Prävention und Screening (EUTOPS) in Hall in Tirol, das auch in Kooperation mit der Universität Innsbruck umgesetzt wird. Hier hat Martin Widschwendter seit März 2020 eine Professur für Krebsprävention und Screening inne. Zudem hält Martin Widschwendter auch eine Gastprofessur am renommierten Karolinska Institutet in Stockholm, Schweden.

Publikationen:‚The WID-BC-index identifies women with primary poor prognostic breast cancer based on DNA methylation in cervical samples‘, Nature Communications on 01 February 2022,DOI: 10.1038/s41467-021-27918-w
https://www.nature.com/articles/s41467-021-27918-w‚The DNA methylome of cervical cells can predict the presence of ovarian cancer‘, Nature Communications on 01 February 2022, DOI: 10.1038/s41467-021-26615-y
https://www.nature.com/articles/s41467-021-26615-y
HORMONERSATZTHERAPIE VERLANGSAMT DEN ZELLULÄREN ALTERUNGSPROZESS

Die Arbeitsgruppe um Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck, konnte durch die Entdeckung einer epigenetischen „Uhr“ nachweisen, dass kombinierte Hormonersatztherapie bei Frauen nach der Menopause die epitheliale Zellalterung verlangsamt – allerdings nur, wenn diese nicht an Brustkrebs erkrankt sind. Daraus schließen die Wissenschaftler*innen, dass epigenetische Uhren einen vielversprechenden Ansatz bieten, die Effektivität krankheitsvorbeugender Maβnahmen zu erfassen. Die Studie wurde im renommierten Fachmagazin Genome Biology veröffentlicht.

Durch sinkende Östrogenspiegel können Frauen nach den Wechseljahren an Symptomen wie Hitzewallungen, Verstimmungen, Schlafstörungen und Knochenschwund leiden. Hormonersatztherapie (HET) kann diese Symptome lindern und dazu beitragen, die langfristigen Gesundheitsbelastungen der Menopause zu verringern. Unter anderem kann HET auch Krankheiten wie Osteoporose oder Darmkrebs vorbeugen oder – wie erste Studien zeigen – die COVID-Sterblichkeit reduzieren. Die Wissenschaftler*innen um Martin Widschwendter konnten nun nachweisen, dass bei einer kombinierten HET mit Progesteron und Östrogen die Alterung von Epithelzellen nach der Menopause verlangsamt wird. Epithelzellen bedecken innere und äuβere Körperoberflächen und Drüsen und sind für die Funktion der meisten Organe essenziell.

„Dieser Vorteil wurde allerdings nicht bei Frauen mit Brustkrebs beobachtet. Ihre Zellen alterten in derselben Geschwindigkeit wie bei Frauen, die sich keiner HET unterzogen“, erklärt Widschwendter. „Es ist noch nicht ganz klar, weshalb kombinierte HET die Zellalterung bei Frauen mit Brustkrebs nicht verlangsamt. Durch weitere Forschung könnten wir aber bald in der Lage sein, anhand von epigenetischen Uhren festzustellen, welche Frauen von einer verlangsamten Zellalterung bei einer kombinierten Hormonersatztherapie profitieren und wie wir gesundheitserhaltende Maβnahmen individuell anpassen können.

Entdeckung einer epigenetischen Uhr

Die Erkenntnisse der Forschungsgruppe wurden durch ihre Entdeckung einer neuen „epigenetische Uhr“ ermöglicht, der sogenannten WID-REA-Uhr, die den Alterungsprozess von Epithelzellen anhand von Proben einer Gebärmutterhalskrebs-Vorsorgeuntersuchung oder eines Mundschleimhaut-Abstrichs messen kann.

Bei einer epigenetischen Uhr handelt es sich um einen molekularbiologischen Test, der Markierungen an der DNA untersucht. Diese chemischen Veränderungen bezeichnet man als DNA-Methylierung. Sie entstehen im Laufe des Alterungsprozesses und werden durch Umwelt und Lebensstil zusätzlich geprägt. Sie haben einen großen Einfluss darauf, wie DNA ausgelesen und welche Funktionen Zellen erfüllen können. Anhand von epigenetischen Uhren kann die Alterung von Zellen bestimmt und damit das Alter einer Person auf wenige Jahre genau abgeschätzt werden. Die Geschwindigkeit der Zellalterung steht in Verbindung mit einem erhöhten Risiko und einer erhöhten Mortalität durch bestimmte Krankheiten, einschließlich Krebs.

„Die aktuelle Studie zeigt das enorme Potenzial epigenetischer Uhren als Informationsquelle für unser biologisches Alter“, sagt auch Chiara Herzog. Die Molekularmedizinerin ist eine der Erstautorinnen der Studie und forscht am EUTOPS Institut der Universität Innsbruck. „Es wird besonders interessant, die Alterung individueller Zellarten bei weiteren Erkrankungen zu erforschen, und auch zu untersuchen, wie einem vorzeitigen Alterungsprozess gegengesteuert werden könnte.”

Proben aus Vorsorgeuntersuchungen

Das Forschungsteam bewertete für die Studie über 2.000 Proben. Wie Brustzellen sind Zellen des Gebärmutterhalses epithelial und hormonabhängig, allerdings sind letztere leichter zugänglich. Gebärmutterhalsabstriche werden regelmäßig von den Gynäkolog*innen zu Vorsorgeuntersuchungen abgenommen. Für die klinische Anwendung dieses Alterungstests sind weitere umfassende Studien in einer Zusammenarbeit von Frauen, niedergelassenen Gynäkolog*innen und Wissenschaftler*innen äußerst wichtig.

„Aktuelle Studien aus England und Amerika bestätigen sehr deutlich, dass Strategien, welche den Alterungsprozess verlangsamen, wesentlich effektiver sind, als Maβnahmen die darauf abzielen, Krankheiten zu heilen. Als Gynäkologen brauchen wir deshalb Tests, die es uns ermöglichen, Alterungsprozesse zu messen und Anti-Aging-Strategien – wie zum Beispiel Hormonersatztherapie, aber auch Bewegung und Ernährung – individuell an die Bedürfnisse jeder Frau anzupassen. Dieser neu entwickelte Test kann einen sehr wesentlichen Beitrag zu einer modernen präventiven Medizin leisten“, sagt Dr. Michael Hubalek, Privatdozent und niedergelassener Gynäkologe in Schwaz.

Die Forschung wurde vom europäischen Forschungsförderungsprogramm Horizon 2020, dem Europäischen Forschungsrat, dem Land Tirol und der britischen Wohltätigkeitsorganisation The Eve Appeal finanziert.

Erklärvideo mit Untertiteln: WID-relatives epitheliales Alter – Erfassung der Alterung von Epithelzellen.

Mehr zur Publikation auf der EUTOPS-Webseite.

Zur Person

Martin Widschwendter, geboren 1968 in Innsbruck, arbeitete nach seiner Ausbildung in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Uni Innsbruck ab 2001 am Norris Comprehensive Cancer Center in Los Angeles (USA). Im Anschluss hat er das erste in Österreich zertifizierte Brustgesundheitszentrum mitbegründet und geleitet. 2005 wechselte er an das University College in London (UCL). Dort absolvierte er eine Ausbildung als Spezialist in gynäkologischer Onkologie und baute eine große Forschungsgruppe auf, die sich mit der Rolle der Früherkennung, Risikoprädiktion und Prävention von Brust- und gynäkologischen Krebserkrankungen befasst. Zudem leitete er dort über zehn Jahre das Department für frauenspezifische Tumorerkrankungen. 2017 bekam er als erster österreichischer Arzt den „Advanced Grant“, die höchste Auszeichnung des European Research Council (ERC). Seit 2020 leitet Martin Widschwendter das vom Land Tirol gegründete Institut für Prävention und Screening (EUTOPS; www.eutops.at) mit Standorten in Zams und Hall in Tirol, das auch in Kooperation mit der Universität Innsbruck umgesetzt wird. Hier hat Martin Widschwendter seit März 2020 eine Professur für Krebsprävention und Screening inne. Zudem hält Martin Widschwendter auch eine Gastprofessur am renommierten Karolinska Institutet in Stockholm/ Schweden.